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dem Wildnisgebiet Solling
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Das Wildnisgebiet Solling
Das Wildnisgebiet Solling ist Bestandteil der Gesamtkulisse an Flächen mit natürlicher Waldentwicklung (NWE) in den Niedersächsischen Landesforsten. Als Highlight der NWE-Flächenkulisse krönt das Wildnisgebiet Solling mit gut 1000 ha zusammenhängender geschlossener Waldfläche neben den großen Naturwaldflächen am Weserkammgebirge die Flächen der NLF, in denen künftig natürliche Prozesse dauerhaft vom Menschen unbeeinflusst ablaufen sollen. Neben der Sicherung der eigendynamischen Entwicklung naturnaher Wälder spielt dabei die Entwicklung von höheren Anteilen an Alters- und Zerfallsphasen der Wälder mit ihrer Bedeutung für daran besonders angepasste Lebensgemeinschaften eine Rolle. Das Forstamt Dassel betreut dieses 1.000 ha große »Wildnisgebiet Solling« als Bestandteil unserer „Urwälder von morgen“.
Wir informieren Sie
Hier finden Sie Informationen über den Stand der Entwicklungen und erforderliche Maßnahmen im Wildnisgebiet:



Stand: 05.02.2025, David Singer
Im Jahr 2024 wurde ein umfassendes Biodiversitätsmonitoring im Wildnisgebiet Solling gestartet. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Nordwestdeutschen Forstlichen Versuchsanstalt (NW-FVA) erfassen dabei innerhalb des Wildnisgebietes detaillierte Daten zum Vorkommen und zur Häufigkeit eines breiten Spektrums an Artengruppen. Vögel, Fledermäuse, Totholzkäfer, Wanzen, Spinnen, Laufkäufer und Pilze werden mit verschiedenen Erfassungsmethoden untersucht.
Zwar lassen die Ergebnisse des systematischen Monitorings noch ein wenig auf sich warten, doch auch vor 2024 wurden in verschiedenen Vorläuferprojekten der NW-FVA und der Uni Göttingen im Bereich des Wildnisgebietes bereits einige Daten zu Tier- und Pilzarten erhoben. Im Rahmen der Biotoptypenkartierung der NLF wurden im Jahr 2021 außerdem Pflanzenarten im Gebiet erfasst. Zusätzlich gibt es auch einige öffentlich verfügbare naturkundliche Citizen Science Daten aus dem Gebiet. Diese verschiedenen Datenquellen wurden nun systematisch aufbereitet und zusammengeführt. Dabei wurde deutlich: Im Wildnisgebiet Solling liegen bereits Nachweise von über 1300 Arten vor!

Abb. 1: Anzahl der bislang im Wildnisgebiet Solling nachgewiesenen Arten verschiedener Artengruppen. Die Daten der verschiedenen Artengruppen basieren jedoch auf unterschiedlich intensiven Erfassungen aus verschiedenen Projekten und Quellen. Entsprechend sind die Artenzahlen als Mindestwerte zu verstehen und erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit.

Abb.: 2 Unter den bislang im Wildnisgebiet Solling nachgewiesenen Pilzarten wurde auch der stark gefährdete Fleckige Saumpilz (Psathyrella maculata) gefunden.
Foto: P. Karasch
Den größten Anteil machen dabei die Käfer mit 552 bislang nachgewiesenen Arten aus. Diese Nachweise von Käfern sind das Ergebnis von Untersuchungen mittels sogenannter Flugfensterfallen an 30 verschiedenen Standorten im Bereich des Wildnisgebietes im Rahmen von Masterarbeiten und dem landesweiten Biodiversitätsmonitoring der NW-FVA in Wäldern mit natürlicher Entwicklung (NWE) der Niedersächsischen Landesforsten. Ein besonderer Nachweis gelang im Jahr 2022 mit dem Kurzflügelkäfer Quedius infuscatus, der bundesweit auf der Roten Liste als stark gefährdet verzeichnet ist. Diese Art lebt im Mulm hohler Laubbäume und ist somit auf besonders alte und totholzreiche Laubwälder angewiesen. Zehn weitere der bislang nachgewiesenen Käferarten werden ebenfalls in der Kategorie gefährdet auf der bundesweiten Roten Liste geführt.
Deutlich niedriger als bei den Käfern sind die Artenzahlen für weitere Insektengruppen. Dies ist jedoch nicht verwunderlich, denn Wanzen, Schwebfliegen und Netzflügler wurden bislang nur an deutlich weniger Standorten als die Käfer im Rahmen verschiedener Masterarbeiten untersucht während die Schmetterlingsdaten ausschließlich auf Gelegenheitsbeobachtungen von Bürgerwissenschaftlern basieren. Bei intensiverer Untersuchung wären hier wohl noch deutlich mehr Arten zu erwarten.
Auch für die Pilze liegen mit 413 Arten besonders viele Nachweise vor. Für diese Gruppe wurden in den Jahren 2022 und 2024 auf 20 verschiedenen Probekreisen entsprechende Erfassungen durchgeführt – aber auch einige Pilz-Nachweise abseits dieser Probekreise durch Bürgerwissenschaftler ergänzen diesen Datensatz. Besonderheiten unter den Pilznachweisen sind der Krummsporige Tatra-Becherling (Tatraeae dumbirensis), ein Naturnähezeiger. Ebenfalls wurde der stark gefährdete Fleckige Saumpilz (Psathyrella maculata) nachgewiesen, für den bislang nur drei weitere Funde in Niedersachsen bekannt sind.
Mit 241 nachgewiesenen Arten liegen die Gefäßpflanzen bislang auf Rang drei im Vergleich mit den anderen Artengruppen. Die meisten Artnachweise stammen aus der flächigen Biotoptypenkartierung im Wildnisgebiet im Jahr 2021. Hierbei wurden 236 Gefäßpflanzenarten nachgewiesen. Weitere fünf Pflanzenarten wurden von Bürgerwissenschaftlern im Gebiet beobachtet. Besonderheiten unter den Pflanzen sind u.a. der Sprossende Bärlapp (Lycopodium annotinum) oder der Wildapfel (Malus sylvestris agg), die beide auf der Roten Liste als gefährdet eingestuft sind.
Durch zwei Masterarbeiten, das akustische Monitoring im Rahmen des landesweiten Biodiversitätsmonitorings der NW-FVA sowie Zufallsbeobachtungen von Bürgerwissenschaftlern konnten im Wildnisgebiet bereits 76 Vogelarten nachgewiesen werden. Als Besonderheit finden sich in den Daten bislang 21 Nachweise des Grauspechts – eine in Niedersachsen vom Aussterben bedrohte und auf alte Laubwälder mit hohem Totholzanteil spezialisierte Waldvogelart. Ähnliches gilt für den Kleinspecht, der in Niedersachsen ebenfalls gefährdet ist. Auch vom Sperlings- und Raufußkauz oder der Waldschnepfe liegen jeweils mehrere Nachweise im Wildnisgebiet vor.
Da die Daten der verschiedenen Artengruppen auf unterschiedlich intensiven Erfassungen aus verschiedenen Quellen basieren, sind die Artenzahlen als Mindestwerte zu verstehen und erheben keinen Anspruch auf Vergleichbarkeit oder Vollständigkeit. Dennoch ermöglichen diese Daten bereits jetzt einen spannenden Einblick in die Biodiversität des Wildnisgebiets. In Zukunft werden durch Auswertungen des systematischen Biodiversitätsmonitorings der NW-FVA über reine Artenzahlen hinausgehende Aussagen zur zeitlichen Entwicklung der Diversität und Häufigkeit von Vögeln, Fledermäusen, Totholzkäfern, Wanzen, Spinnen, Laufkäufern und Pilzen möglich sein.
Im Wildnisgebiet kommen an 20 Stichprobenpunkten – je nach Artengruppe – spezielle Methoden der Biodiversitätserfassung zur Anwendung:
- Die Gesänge bzw. Rufe von Vögeln und Fledermäusen werden mittels automatischer akustischer Aufnahmegeräte aufgenommen und mithilfe moderner Algorithmen bestimmt
- Totholzkäfer und Wanzen werden in ‚Flugfenster-Fallen‘ gefangen und anschließend gezählt und bestimmt
- Spinnen und Laufkäufer werden in Bodenfallen gefangen und anschließend gezählt und bestimmt
- Von den Pilzen wird jeweils im Frühjahr und im Herbst eine Artenliste auf den untersuchten Probekreisen durch Mykologen erstellt
- Zusätzlich zur Erfassung der Artengruppen werden Daten zum Mikroklima, zu den vorkommenden Baumarten, dem Totholz und den Mikrohabitaten sowie zur vertikalen Struktur und der (vorherigen) Bewirtschaftungsintensität erhoben
Das Biodiversitätsmonitorings im Wildnisgebiet stimmt mit dem landesweiten Verfahren in Wäldern mit natürlicher Entwicklung überein, sodass die Ergebnisse auch in den landesweiten Kontext eingeordnet werden können.

Abb.: 3 Mittels sogenannter Flugfensterfallen werden im Wildnisgebiet Solling systematisch Käfer und Wanzen erfasst.
Foto: D. Singer
In den Jahren 2021 und 2022 wurden die Flächen des Wildnisgebietes Solling im Rahmen der Waldbiotopkartierung umfassend aufgenommen. Anschließend erfolgte mit der turnusmäßigen Forsteinrichtung im Jahr 2023 neben der Inventur der Waldbestände auch die flächengenaue Planung von Initialmaßnahmen. Zuvor war bereits im Jahr der Gebietsausweisung (2021) eine Vorab-Inventur durch die Forsteinrichtung durchgeführt worden, um den Umfang möglicher Initialmaßnahmen für die natürliche Waldentwicklung zu ermitteln und eine vorläufige Zonierung des Gebietes vorzunehmen. Auf der Grundlage dieser Informationen konnte zeitnah nach der Ausweisung des Gebietes bereits mit dem Umbau von Fichtenbeständen begonnen werden. Die Ergebnisse der Aufnahmen der Waldbiotopkartierung und der Forsteinrichtung werden im Folgenden dargestellt.
(1) Ergebnisse der Waldbiotopkartierung
Die Waldbiotopkartierung zeigt die Bedeutung des Wildnisgebiets Solling als Wald-Wildnisgebiet: Über 990 Hektar bzw. über 97 Prozent des Wildnisgebietes sind als Waldbiotope erfasst. Dabei dominieren mit knapp 800 Hektar vor allem die bodensauren Buchenwälder, während insgesamt 150 Hektar noch als Nadelbaumforste kartiert wurden. Wege erstrecken sich gegenwärtig auf gut zwölf Hektar im Wildnisgebiet. Im Einzelnen finden sich auf der gesamten Fläche des Wildnisgebietes folgende Biotoptypen (Biotoptypen-Gruppen, s. Abb. 1).

Abb. 1: Im Wildnisgebiet Solling vorkommende Biotoptypengruppen und Flächenanteile.
Als gesetzlich geschützte Biotope nach § 30 BNatSchG kommen naturnahe Bäche (2 ha), einige Quellen und – in sehr geringem Umfang – Stillgewässer (0,3 ha) vor. Darüber hinaus gibt es auf insgesamt 1,5 Hektar gesetzlich geschütztes Grünland.
Von besonderer Relevanz sind wegen der Zugehörigkeit des Wildnisgebietes zum FFH-Gebiet „Wälder im östlichen Solling“ zudem die vorkommenden FFH-Lebensraumtypen. Diese sind mit folgenden Anteilen und Erhaltungsgraden im Wildnisgebiet zu finden (s. Abb. 2).

Abb. 2: Im Wildnisgebiet Solling vorkommende Lebensraumtypen (LRT) mit Anteilen und Erhaltungsgrad.
Innerhalb der vorkommenden FFH-Lebensraumtypen sticht der hohe Anteil des LRT 9110 (Hainsimsen-Buchenwälder) hervor, dessen natürliche Entwicklung ganz maßgebliches Ziel bei der Ausweisung des Wildnisgebietes Solling war. Neben den schon bestehenden 794 Hektar wurden Hainsimsen-Buchenwälder bereits auf weiteren 35 Hektar als Entwicklungs-LRT kartiert. Zu sehr geringen Anteilen kommen zudem die LRT 91E0 und 6510 vor. Erstmalig wurde im Jahr 2021 im Gebiet auch ein sehr geringer Anteil des LRT 3260 (Fließgewässer mit flutender Wasservegetation) erfasst.
Der LRT 9110 ist auf Flächen von insgesamt 50 Hektar in einem sehr guten Zustand (Erhaltungsgrad A), auf insgesamt 636 ha in einem guten Zustand (Erhaltungsgrad B) und auf 108 ha in einem mäßigen bis schlechten Zustand (Erhaltungsgrad C, s. Abb. 3).
Die Waldbiotopkartierung im Wildnisgebiet Solling wird turnusmäßig nach zehn Jahren wiederholt.

Abb. 3: Erhaltungsgrade der im Wildnisgebiet Solling vorkommenden FFH-Lebensraumtypen (Zusammenfassung einzelner Polygonbewertungen).
(2) Ergebnisse aus der Forsteinrichtung
Die Inventur der Forsteinrichtung ergänzt die Ergebnisse der Waldbiotopkartierung durch die Erfassung und Dokumentation der Baumarten- und Alterszusammensetzung sowie der vertikalen Struktur der einzelnen Waldbestände. Folgende Ergebnisse lassen sich aus der Forsteinrichtungsinventur ableiten:
Verteilung der Laub- und Nadelwaldbestände im Wildnisgebiet Solling
Analog zu den Ergebnissen der Waldbiotopkartierung sind Laubwälder aktuell auf 85 Prozent der Waldfläche im Wildnisgebiet zu finden, während Nadelbaumbestände heute noch auf 15 Prozent der Fläche vorkommen. Buchenwälder machen dabei mit 81 Prozent den größten Anteil aller Waldbestände aus. Auf knapp 14 Prozent der Fläche waren zum Zeitpunkt der Inventur noch Fichtenbestände zu finden.

Abb. 4: Erhaltungsgrade der im Wildnisgebiet Solling vorkommenden FFH-Lebensraumtypen (Zusammenfassung einzelner Polygonbewertungen).
Insbesondere die Fichtenwälder des Wildnisgebietes kommen zu 80 Prozent als Reinbestände und zu 20 Prozent als Mischbestände vor. Hingegen sind nur bei einem Fünftel aller Buchenwälder keine Mischbaumarten zu finden. Oft sind Buchenbestände mit Fichte, aber auch mit Eiche gemischt, während in Fichtenmischwäldern zumeist Buche vorkommt.


Abb. 5 + 6: Zusammensetzung der vorkommenden Buchen- und Fichtenbestände im Wildnisgebiet Solling.
Altersstruktur der Waldbestände im Wildnisgebiet Solling
25 Prozent der Wälder im Wildnisgebiet sind aktuell älter als 160 Jahre (Altersklasse IX und X) und 46 Prozent älter als 140 Jahre (AK XIII bis X). Hierbei handelt es sich nahezu ausschließlich um alte Laubwälder. Neben einem großen Anteil alter Buchenwälder kommen auch noch einige wenige über 180-jährige Eichenwälder vor. Die meisten der vorkommenden Fichtenbestände sind aktuell in der Altersklasse III und IV zu finden, also in einem Alter von 41 bis 80 Jahren.

Abb. 7: Altersklassenverteilung der Waldbestände im Wildnisgebiet Solling.
Der Nachwuchs – die nächste Waldgeneration
Auf der reichlichen Hälfte der Wildnisgebietsfläche ist Nachwuchs, vor allem von Buche, zu finden (514 ha). Junge Buchen der nächsten Waldgeneration wachsen auf insgesamt 484 Hektar, junge Fichten kommen nach den Aufnahmen der Forsteinrichtung auf insgesamt 24 Hektar nach. Die Anteile anderer Baumarten am Nachwuchs liegen gegenwärtig bei jeweils unter einem Prozent.

Abb. 8: Im Nachwuchs vorkommende Baumarten und Anteile im Wildnisgebiet Solling.
Baumarten des Unterstandes
Unterstand, also eine unterständige, mit dem Hauptbestand gleichaltrige Baumschicht, die zu höherer Strukturvielfalt führt, kommt nahezu ausschließlich in den Buchenwäldern und auf insgesamt etwa einem Viertel der Wildnisgebietsfläche vor.

Abb. 9: Als Unterstand vorkommende Baumarten und Anteile im Wildnisgebiet Solling
Die folgende Karte gibt einen Überblick über die Verteilung der Waldbestände im Wildnisgebiet Solling zum Stichtag 1.1.2024 (s. Abb. 10.).


Der Solling – ein Buchenwald
Vorherrschend im Wildnisgebiet Solling ist der Hainsimsen-Buchenwald auf bodensauren Buntsandsteinstandorten. Hier ist die Buche gegenüber anderen heimischen Baumarten sehr konkurrenzstark, so dass sich neben ihr nur wenige andere Baumarten behaupten können.


Mit der eingeleiteten Einstellung der bisherigen nachhaltigen Bewirtschaftung wird sich der Anteil an ökologisch besonders wertvollen alt- und totholzreichen Buchenwäldern erhöhen und mehr Lebensraum für eine Vielzahl gefährdeter Tier-, Pilz- und Pflanzarten bieten.
Einen ersten Eindruck der zukünftigen Entwicklung vermittelt heute bereits der Teilbereich »Limker Strang«, den die Landesforsten seit den 1970er-Jahren nicht mehr bewirtschaften.
Auf begrenzter Fläche sind Initialmaßnahmen erforderlich
Seit der Ausweisung des Wildnisgebietes im Rahmen der Umsetzung des »Niedersächsischen Weges« im Jahr 2021 wird kein heimisches Laubholz mehr geerntet. Rund 80 Prozent der Fläche sind schon jetzt ihrer natürlichen Entwicklung überlassen. Bei den übrigen 20 Prozent der Fläche handelt es sich überwiegend um verschieden große Fichtenbestände unterschiedlichen Alters. Um auch in diesen Bereichen eine Entwicklung hin zu naturnahen Buchenwäldern anzustoßen, sind auf Teilflächen in den nächsten Jahren noch Initialmaßnahmen, wie die Entnahme von Fichten oder die Pflanzung von Buchen, erforderlich.
